Veronika - oft identifiziert mit der blutflüssigen Frau aus der Heilungsgeschichte im Matthäusevangelium 9, 20 - erzählte nach der in der westlichen Kirche verbreiteten Legende dem Boten des kranken Kaisers Tiberius, dass sie - um immer ein Bild Jesu Christi bei sich zu haben, dem sie nicht von Ort zu Ort habe folgen können - diesen um ein Abbild gebeten habe. Sie hatte ein Tuch dabei, hat ihm dieses gereicht und mit seinem eingedrückten Antlitz zurückerhalten. Veronika fuhr mit dem Boten nach Rom, das Tuch erwies seine Heilkraft, Tiberius, der ein Wespennest im Kopf hatte, wurde gesund.

Um 1300 entstanden erweiterte Fassungen der Legende, die Veronika dem Kreuzweg Christi zuordnen: Veronika stand als eine der vielen Frauen, von denen das Lukasevangelium (23, 27) berichtet, am Kreuzweg; als der Heiland zusammenbrach, reichte sie ihm ihr Schweißtuch, auf dem der Abdruck seines Antlitzes mit der Dornenkrone erhalten blieb.

Die byzantinische Legende erzählt, dass Jesus noch zu Lebzeiten dem König Abgar von Edessa - dem heutigen Sanlιurfa in der Türkei - ein wunderkräftiges Tuch mit dem Abbild seines Antlitzes zugesandt habe, das dieser am Stadttor von Edessa anbringen ließ; dort habe sich das Bild als Ziegelabdruck erhalten. Jüngere Fassungen dieser Legende berichten, dass nicht Abgar, sondern seine Tochter Berenike das Tuch erhalten habe. Kaiser Konstantin VII. ließ demnach 944 den Abdruck in seine Palastkapelle bringen; Nach der Eroberung von Konstantinopel - dem heutigen Ístanbul - 1204 durch den Westen verlor sich seine Spur.

Das Tuch der Veronika wurde in Rom erst ab dem 12. Jahrhundert verehrt, mit der Eroberung von Konstantinopel wurde es zunehmend interessant. Das im 13. Jahrhundert zunehmende Verlangen nach Sichtbarkeit des Segens wurde mit dem sakralen Charakter bekommenden Veronika-Bild gestillt, es wurde in die Passionsreliquien aufgenommen. Bis ins 16. Jahrhundert wurde das Motiv als Andachtsbild, Buch- und Tafelmalerei weit verbreitet.

Von den verschiedenen Tüchern, die als das ursprüngliche Schweißtuch angesehen werden, war das berühmteste bis zum Jahr 1608 im Petersdom in Rom aufbewahrt. Seit 1638 wird im Kapuzinerkloster von Manopello in den Abruzzen eine Tuchreliquie mit dem Angesicht Christi gezeigt, das Heinrich Pfeiffer, Professor für christliche Kunstgeschichte an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, für das früher in Rom gezeigte und für das echte Schweißtuch Christi hält; es sei nicht gemäß der Veronika-Legende entstanden, sondern zusammen mit dem - für ihn ebenfalls echten - Grabtuch von Turin benutzt worden, um den Gekreuzigten bei der Grablegung einzuhüllen; auffallend ist die deutliche Identität der Gesichtszüge in den übereinander gelegten Bildern von Turin und Manopello und das Material des Tuches: Muschelseide - ein in der Antike höchst wertvoller Stoff aus dem Sekret der Byssusdrüse einiger Muscheln, der sich nach der Auffassung einiger Wissenschaftler nicht bemalen lässt. Giulio Fanti, Professoer für Messtechnik in Padua, wies dagegen 2007 nach, dass auf beiden Seiten des Tuches Farbpigmente aufgetragen sind. Der Kunsthistoriker Piero Vercelli vertritt deshalb die Ansicht, das Tuch zeige ein Selbstbildnis von Albrecht Dürer, das der bei seinem Aufenthalt in Rom seinem Kollegen Raffael geschenkt habe.

Dieses Tuch sei nach der einen Überlieferung schon 1506 durch einen Unbekannten - womöglich ein Engel - einem Bewohner des Städtchens übergeben worden; nach Heinrich Pfeiffer wurde das vatikanische Tuch von einer Römerin einem Adeligen aus Manopello verkauft, damit die Frau ihren Mann aus dem Gefängnis freikaufen konnte. 2006 besuchte Papst Benedikt XVI. im Rahmen einer "privaten Pilgerfahrt" Manopello, kniete und betete vor dem Tuch und verhalf ihm damit zwar nicht zu offizieller Anerkennung, aber zu gesteigerter Beachtung. Kurz nach seinem Besuch erhob er die 400 Jahre alte Kirche zur Basilika.

Nur dreimal im Jahr wird das "Bluttuch" von Oviédo gezeigt, das der Überlieferung nach direkt aus dem leeren Grab Jesu geborgen wurde. Es sei das Schweißtuch, von dem das Johannesevangelium berichtet (20, 7). Bischofs Pelagiu zufolge stammt es aus Jerusalem und wurde beim Einfall der Perser im Jahr 614 in Sicherheit gebracht: zunächst nach Alexandria, dann über Karthago - den heutigen Vorort von Tunis - nach Cartagena in Spanien. Bis 711 wurde es in Toledo verehrt, dann vor dem Ansturm der Mauren in den Norden gebracht. Auffallend sind auch bei diesem Schweißtuch insbesondere die Parallelen zum Grabtuch von Turin.

Auf den Kreuzwegen ist die Legende der heiligen Veronika als sechste Station dargestellt. Noch heute wird in der Passionszeit im Petersdom in Rom auf dem Reliquienbalkon ein Veronika-Tuch gezeigt.

Veronikas Gebeine ruhen angeblich in der Kirche St-Seurin in Bordeaux.




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